Internet-Business und die Grundsätze unseres Steuersystems

In Bezug auf Internet-basierte Geschäfte und einer in diesem Zusammenhang diskutierten Digitalsteuer, wurde in letzter Zeit immer wieder gefordert, die Einkommensteuer nicht nur dort zu erheben, wo das leistungserbringende Unternehmen seinen Sitz hat, sondern (auch) dort wo der Verbraucher die entsprechende Leistung konsumiert.

Diese Forderung zeugt von dem verständlichen Wunsch am Erfolg erfolgreicher Internet-Giganten, wie Amazon, Google und Facebook, partizipieren zu können, zeigt aber auch, dass im Kampf um Steueraufkommen, Überlegungen zur Steuergerechtigkeit und Steuersytematik eine zunehmend geringere Rolle spielen.

Das ist deshalb äußerst bedenklich, weil Steuergerechtigkeit ein ganz wesentlicher Pfeiler unserer Gesellschaft ist, da sie nicht nur die Beziehung des Bürgers zum Staat, sondern auch die gerechte Verteilung der Lasten unter den Bürgern, ganz wesentlich determiniert.

Grundsätzlich kann man natürlich jeden Umstand zum Anlass nehmen eine Steuer festzusetzen, in demokratisch organisierten Gesellschaften hat sich aber der Grundsatz durchgesetzt, dass eine gerechte Besteuerung dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechen sollte.

Die Leistungsfähigkeit kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten festgestellt werden. Einerseits durch Bemessung des Einkommens und andererseits durch Bestimmung der Kaufkraft/des Konsums. Wobei grundsätzlich gilt: Einkommen = Konsum. (Kurzfristig gilt natürlich Einkommen = Konsum + Sparen. Da aber Sparen nur aufgeschobenener Konsum ist, gilt langfristig auch die Kurzform der Formel).

Grundsätzlich wäre daher eine Einkommensteuer (mit den Nebenformen Körperschaftsteuer und Lohnsteuer) oder eine Umsatzsteuer ausreichend um eine vollständige Besteuerung des Volkseinkommens zu gewährleisten.

In fast allen Staaten hat sich der Gesetzgeber jedoch, vor dem Hintergrund, dass Einkommenserzielung und Konsum nicht zwangsläufig am gleichen Ort stattfinden müssen, dazu entschieden, beide Besteuerungsformen zu implementieren.

Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, dh bei Import und Export spielt ja auch die Aufteilung der Besteuerungsrechte und damit des Steueraufkommens, zwischen den Staaten eine wesentliche Rolle für die Steuergerechtigkeit.

Dabei hat sich international eingebürgert, dass die Einkommensteuer am Ort der Wertschöpfung fällig wird und die Umsatzsteuer am Ort des Konsums.

Wenn man das berücksichtigt, liegt klar auf der Hand, dass eine Festsetzung von Einkommenssteuer am Ort des Konsums völlig widersinnig ist. Es käme zu einer Nicht-Besteuerung am Ort der Wertschöpfung und zu einer Doppelbesteuerung am Ort des Konsums.

Wenn man aus irgendwelchen Gründen eine stärkere Besteuerung des Konsums wünscht, wäre der systematisch richtigere Weg die Umsatzsteuer anzuheben. Dabei sollte man aber beachten das aus steuer-systematischen Gründen der Umsatzsteuersatz dem (durchschnittlichen) Einkommensteuersatz entsprechen sollte, da die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer lediglich zwei Seiten der gleichen Medaille darstellen, und eine unterschiedliche Gewichtung der Steuern zumindest steuer-theoretisch keinen Sinn macht.

Was ist mein gerechter Anteil an der Steuerlast?

Das Steuerrecht kennt persönliche und sachliche Steuerbefreiungen, Freibeträge und Freigrenzen, Pauschalierungen und gesetzliche Fiktionen. Das alles sind Folgen einer Klientelpolitik und führt dazu dass das Steuerrecht immer unsystematischer wird und die Steuergerechtigkeit (gleiches gleich zu behandeln) geopfert wird.

Steuerpolitik wird meist nur mehr aus dem Blickwinkel fiskaler Zwänge betrachtet, die Frage nach der Steuergerechtigkeit (warum muss ich welche Steuern zahlen) wird ignoriert. Die Politik regiert nach dem Diktat der Mehrheit, Grundrechte auf Eigentum und Erwerbsfreiheit aber auch Gleichheit werden im Zusammenhang mit Steuern nicht diskutiert.

Andererseits wird von den Steuerpflichtigen moralisches Verhalten eingefordert. Dies in dem Sinn dass jeder seinen gerechten Anteil zahlen soll, unabhängig davon ob er dazu verpflichtet ist oder nicht. Aber welche Steuerbefreiung, welcher Freibetrag oder Freigrenze, welche Pauschalierung oder gesetzliche Fiktion ist moralisch begründet?

Konsequent betrachtet, dürfte keine Ausnahme angewendet werden und müsste jeder Sachverhalt nach den tatsächlichen Verhältnissen besteuert werden (dh keine Pauschalierungen, gesetzliche Bewertungsvorschriften etc). Damit würde sich aber ein Grossteil der Steuervorschriften erledigen.

Die Lösung des Dilemmas, dass das geltende Steuerrecht unsystematisch und daher auch ungerecht ist, kann nicht dem Steuerpflichtigen aufgebürdet werden. Hier muss der Gesetzgeber erst einmal Ordnung schaffen und dafür sorgen, dass das Steuerrecht klar ersichtlichen Grundsätzen, die sich auf Gerechtigkeitsüberlegungen basieren lassen, folgt. Dann kann er auch fordern, dass das Steuerrecht von den Steuerpflichtigen grundsatzbasiert angewendet wird.

Warum eine Erbschaftsteuer falsch ist

Vielfach wird argumentiert, dass eine Erbschaftsteuer dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht, da dem Erben durch die Erbschaft ein Vermögenszuwachs zukommt, der einem Einkommen entspricht. Aus Sicht des Erben mag das stimmen, aus volkswirtschaftlicher und steuertheoretischer Sicht, ist dieser Ansatz aber falsch.

Aus Sicht einer modernen Steuertheorie wird nämlich nicht das Einkommen der Staatsbürger besteuert, was sich schon darin zeigt, dass ausländische Einkommensteile vielfach nicht besteuert werden, sondern der Einkommenszuwachs der Volkswirtschaft.

Die Steuer stellt damit ein Entgelt für die Leistungen des Staates, die der Volkswirtschaft zu Gute kommen, wie zB die zur Verfügung Stellung von Infrastruktur und die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, dar.

Die Einkommensteuer sollte daher idealerweise den auf das einzelne Individuum entfallenden Anteil an der Wertschöpfung der Volkswirtschaft erfassen. Da der Erbfall aber kein Wertschöpfungsprozess ist sollte er auch nicht der Besteuerung unterliegen.

Konsequenter Weise ist eine Erbschaftsteuer als Substanzsteuer zu qualifizieren. Da Substanzsteuern einer, volkswirtschaftlich gesehen, erwünschten Akkumulation von Vermögen entgegenwirken, gelten diese im Allgemeinen als schädlich.

Die folglich geforderte Nicht-Besteuerung von Erbschaften hat aber auch eine ethische Dimension, der Staat, als Schutzbeauftragter, soll am Tod eines seiner Bürger nicht verdienen.

Grundlegende Fehler/Lücken in der Besteuerung

Steuerarten

Grundsätzlich gibt es nur zwei Arten von Steuern, solche die aus dem Ertrag bezahlt werden und solche die aus der Substanz bezahlt werden.

Zu den Ertragsteuern zählen die Einkommensteuer (inkl. Lohnsteuer und Körperschaftsteuer) sowie die Umsatzsteuer (inkl Verbrauchssteuern; es gilt: Einkommen = Konsum).

Zu den Substanzsteuern gehört die Vermögensteuer (inkl Erbschafts- und Schenkungssteuer) sowie alle anderen Gebühren und Abgaben. Da die Akkumulation von Vermögen, volkswirtschaftlich gesehen, sinnvoll und erwünscht ist, gelten Substanzsteuern allgemein als schädlich.

Systematische Friktionen im Bereich der Einkommensteuern

Die Körperschaftsteuer, die Lohnsteuer und die Kapitalertragsteuer sind nur besondere Erhebungsformen der Einkommensteuer.

Bei Einkommen aus Körperschaften erfolgt die Besteuerung in zwei Schritten: Auf Ebene der Körperschaft fällt die Körperschaftsteuer an und auf Ebene des Anteilsinhabers fällt die Kapitalertragsteuer an. Dass der Kapitalertrag-steuersatz nur die Hälfte des Einkommensteuersatzes ausmacht, macht bei Einkommen aus Körperschaften daher Sinn. Dass der halbe Steuersatz auch für alle anderen Kapitalerträge gilt macht keinen Sinn.

Eine progressive Besteuerung von Einkommen führt zu einer vom zeitlichen Anfall des Einkommens abhängigen Steuerbelastung was zu ungerechten Ergebnissen führen kann. Das selbe gilt für den Fall dass es keinen Verlustrücktrag und/oder Verlustvortrag gibt. Warum die Körperschaftsteuer anders als die Einkommensteuer und die Lohnsteuer, keine Progression kennt und einen Verlustvortrag, aber keinen Verlustrücktrag zulässt, ist aus dem Blickwinkel der Steuergerechtigkeit nicht zu erklären. Besser wäre es die Progression abzuschaffen, einen Verlustvortrag auch im Bereich der Einkommensteuer und Kapitalertragsteuer zuzulassen und einen Verlustrücktrag im Bereich der Körperschaftsteuer zu ermöglichen.

Systematische Friktionen im Bereich der Einkommensteuer im engeren Sinn

Die Einkommensteuer wird abhängig von der Art des Einkommens unterschiedlich ermittelt, ohne dass das systematisch erklärbar oder notwendig wäre. Zwischen den einzelnen Einkunftsarten gibt es Verlustausgleichsverbote, was dem Leistungs-fähigkeitsprinzip ganz grundsätzlich widerspricht.

Substanzverluste werden grundsätzlich nicht berücksichtigt obwohl Substanzgewinne sehr wohl der Besteuerung unterliegen. Die Besteuerung von Substanzgewinnen erfolgt auf Basis von Nominalwerten, sodass auch die Inflation besteuert wird.

Systematische Friktionen im Bereich der Körperschaftsteuer

Die unterschiedliche Besteuerung von Eigen- und Fremdkapital macht aus dem Blickwinkel einer wertschöpfungsorientierten Besteuerung keinen Sinn.

Die Berücksichtigung von Auslandsverlusten ist für den Fall, dass die korrespondierenden Gewinne nicht der österreichischen Besteuerung unterliegen unsystematisch.

Systematische Friktionen im Bereich der Kapitalertragsteuer

Dass im Bereich der Kapitalertragsteuer keine Werbungskosten zugelassen werden widerspricht nicht nur bei Dividendeneinkünften, die keiner begünstigen Besteuerung unterliegen, dem Leistungsfähigkeitsprinzip sondern ist grundsätzlich problematisch wenn man bedenkt, dass das Abzugsverbot auch Finanzierungskosten umfasst.

Die Besteuerung von Erträgen aus der Veranlagung in Investmentfonds auf Basis fiktiver Zuflüsse widerspricht dem Zuflussprinzip und dem Realisationsprinzip.

Sclussbemerkung

Als Steuerberater profitiere ich natürlich von diesen Inkonsistenzen, da sie mir ermöglichen durch geschickte Gestaltung die Steuerlast meiner Klienten zu reduzieren. Aus steuertheoretischer Sicht sowie aus Sicht eines an Steuergerechtigkeit interessierten Steuerzahlers wären diese allerdings auszumerzen.